Hör auf deine Nutzer:innen zu stressen! Für mehr mentale Gesundheit, Barrierefreiheit und den Planeten.

Es gibt so viel Frustration im Internet. Hast du schon einmal Stress mit einer Website, einer App oder einer Software gehabt? Ich wette, ja, denn ich kenne so gut wie niemanden, der oder die nicht schon einmal von einem digitalen Produkt gestresst war. Und ich weiß, dass es mir schon mehrmals so ergangen ist.

Lass uns darüber sprechen, wie wir unsere geliebten Nutzer:innen stressen, wie wir stressfreies Design kreieren und wie Calm Design der mentalen Gesundheit, der Barrierefreiheit und unserer Natur zugute kommt. Ja, das ist richtig. Es wird auch darum gehen, wie wir unseren digitalen Fußabdruck mit stressfreien digitalen Produkten verringern können. Das ist eine Win-Win-Situation für alle. Also, fangen wir an.

Wenn du lieber hören statt lesen willst, dann geht das auch.

Stell dir vor …

Stell dir vor, Du öffnest eine Website und erhälst einen Cookie-Banner, mit dem du die Cookies akzeptieren oder ablehnen kannst. Okay, Check. Als Nächstes kommt ein Newsletter-Pop-up. Ich möchte im Moment keinen Newsletter erhalten. Ich möchte nur den Inhalt dieser Seite sehen. Dann erscheint ein weiteres Popup-Fenster, in dem du dich entscheiden kannst, ob du Push-Benachrichtigungen von dieser Website erhalten möchtest oder nicht. Nein, das möchte ich nicht. Dann wird nach deinem Standort gefragt, und du fragst dich „Warum? Ich möchte nur den Inhalt dieser Seite sehen!“ Schließlich hast du auch das weggeklickt. Und dann slidet der Content von links, rechts, oben und unten in’s Bild. Alles ist in Bewegung. Außerdem bist du auf einer Buchungswebsite, die dir mitteilt, dass nur noch zwei Zimmer verfügbar sind und diese in wenigen Minuten ausverkauft sind.

Aaaaah! Dein Gehirn brummt, und du hast noch nicht einmal den ersten Absatz dieser Website gelesen.

Wir sind oft überreizt, weshalb wir uns tagsüber nicht konzentrieren können und nachts nicht schlafen können.

Wir müssen das um unserer selbst willen stoppen. Ich weiß, wenn wir in unseren Büros sitzen und mit unseren Business-, Design- und Marketingkolleg:innen sprechen, klingt alles ganz großartig. Sicher, wir wollen den Umsatz steigern. Aber wenn wir uns persönlich fragen, würden wir all diese Dinge nicht umsetzen, weil wir sie als Nutzer:innen selbst hassen.

Wie wir unsere Nutzer:innen stressen

Also, all diese Cookie-Banner, all diese Push-Benachrichtigungs-Pop-ups, all diese Animationen, Newsletter-Banner, Marketing-Bling-Bling überall, die es aus Marketinggründen erschweren, etwas zu buchen, Call-to-Actions, die nicht klar sind und die Erwartungen der Nutzer:innen verletzen, Prozesse, die super kompliziert sind oder Audio- und Video-Autoplay. Das ist wahrscheinlich eines der schlimmsten Dinge, die wir tun können. All diese Standortabfragen, diese E-Mail-Eingaben ohne automatische E-Mail-Vervollständigung. Schrecklich.

Überall diese kleinen Reibungen. Superlange Ladezeiten. Buchungsknappheit, die oft gefälscht ist, wie z. B. auf Booking.com oder auf Flug-Websites, wo im Code ersichtlich ist, dass es sich um gefälschte Zahlen handelt. Hinzu kommen all die süchtig machenden Plattformen, die dazu verleiten, immer wieder zu kommen. Wir wissen das vor allem von den sozialen Medien, aber auch von anderen Plattformen, die versuchen, uns von ihrer App, Software oder Website abhängig zu machen. All diese Links wie „Nein, danke, ich möchte nicht gesund werden“, „Nein, danke, ich möchte dieses tolle Angebot nicht haben“.

Warum tun wir das? Es ist verrückt.

Erst kürzlich war ich auf einer Möbelhaus Website, auf der ständig zu lesen war, dass diese Promotion nur noch zwei Tage läuft. Eine Woche später gab es genau die gleiche Aktion. Hä!?

Einen stressigen Tag, ein Notfall oder eine Behinderung haben

Stell dir vor, du hattest einen harten Tag, du bist gestresst von den aktuellen Krisen in der Welt, du hast ein neugeborenes Baby, das schreit, und und du hast seit Tagen nicht geschlafen. Du bist krank und brauchst Medikamente. Deine Augen sind geschwollen und deine Nase läuft.

Vielleicht hattest einen Autounfall und brauchst einen Abschleppwagen. Vielleicht bist du neurodivers und hast irgendetwas, das mit ADHS, Legasthenie, Tourette, Autismus oder was auch immer zu tun hat. Vielleicht bist du bei der Arbeit und deine Arbeitssoftware ändert ständig etwas, so dass dein Automatismus nicht mehr auf die gleiche Weise funktioniert, wie zum Beispiel bekannte Klickpfade.

Es ist einfach frustrierend und anstrengend.

Ich sage nicht, dass alle diese Marketingtechniken falsch sind. Aber es geht um das Timing. Es geht um die Menge der Informationen. Es geht um eine gesunde Nutzung und auch um die Korrektheit dieser Nutzung, einschließlich des Vertrauens, dass die angezeigten Fakten tatsächlich der Wahrheit entsprechen, z. B. dass keine gefälschten Zahlen angezeigt werden, nur um die Leute zum Kauf oder zur Buchung von etwas zu bewegen.

Wie wir stressfreie Webseiten, Apps und digitale Produkte erstellen

Ein ruhiges oder stressfreies Design bedeutet nicht, dass es langweilige und lahme Webseite, Apps oder Software sind.

Calm Design kann bereichernd, liebevoll, schön und ästhetisch ansprechend sein, weil es den Stress reduziert. Sehen wir uns vier verschiedene Kategorien an, mit denen du dein Design entstressen kannst.

Sorge für eine gesunde Nutzung

  • Baue Präferenzeinstellungen ein, insbesondere Benachrichtigungseinstellungen, die es den Nutzer:innen ermöglichen, Benachrichtigungen für bestimmte Zeiten oder Intervalle stumm zu schalten (nachts, tagsüber, während des Urlaubs, für nur einen Tag oder eine Woche). Frage zunächst in deiner App, welche Benachrichtigungen die Nutzer:innen wirklich erhalten möchten.
  • Biete Ausstiegspunkte an, wie z. B. einen Stopp beim Scrollen in den sozialen Medien oder „Mehr laden“ Buttons. Ermögliche es den Nutzer:innen, dein Produkt mit einem Gefühl des Abschlusses zu verlassen, wie es Duolingo mit einer abgehakten Checkliste und „Good Job, see you tomorrow“ tut.
  • Sende Push-Benachrichtigungen bis zu einem bestimmten Punkt. Wenn die Nutzer:innen nie mit diesen Benachrichtigungen interagieren, frage sie oder ihn, ob die Benachrichtigungen nicht mehr gesendet werden sollen. Duolingo tut dies, indem es eine letzte Benachrichtigung sendet: „Wir hören auf, dir Benachrichtigungen zu senden. Sie scheinen im Moment nicht zu funktionieren.“.
  • Implementiere eine „Später senden“-Funktion. Slack verfügt über diese Option, um Nachrichten zu späteren Zeitpunkten zu senden. Sie sorgt dafür, dass andere nicht unter Druck gesetzt werden, spätabends oder an Feiertagen zu antworten.
  • Integriere Funktionen zum Pausieren und Speichern, z. B. zum Anhalten von Aufgaben in einer App oder Software.

Kreiere eine beruhigende Umgebung

  • Verwende niemals die automatische Wiedergabe von Video und (insbesondere) Audio. Stelle sicher, dass sie aktiv angeklickt werden müssen.
  • Integriere Pop-ups, die erst ausgespielt werden, nachdem Nutzer:innen einige Zeit auf der Seite verbracht haben, und zwar eher am Rande des Bildschirms. Trello und Asana machen das sehr gut.
  • Verwende Animationen mit Bedacht und in langsamem Tempo, da sie Auslöser sein können (insbesondere für Menschen auf dem Autismus-Spektrum, mit Tourette oder ADHS). Verwende besser Mikro-Animationen, z. B. für Erfolge, auf Buttons, Onboardings oder erklärende Illustrationen.
  • Wähle klare und einfache Klickpfade.
  • Lass Raum in deinem Design und pferch nicht alles zusammen.
  • Stell gut lesbaren Text (Größe und Farbe) in klaren Strukturen dar.
  • Zeige beschreibende und leicht verständliche Fehlermeldungen an.
  • Integriere zwischendurch ruhige Design-Screens (App-Splash-Screen mit beruhigender Animation oder Zwischen-Screens innerhalb langer Checkouts).
  • Implementiere Fokus-Modi für Arbeitssoftware, Magazine (wie Offline Only von Chris Bolin), Checkouts, Lernerfahrungen.
  • Entscheide dich für kurze Onboardings, die auch aufgeteilt werden können. Beginne mit einfachen Aufgaben und verschiebe schwierige Aufgaben auf einen späteren Zeitpunkt.
  • Achte mehr auf stressige User Journeys (Autounfall, Notfälle, alles für frischgebackene Eltern, Finanzen, hochpreisige Produkte und Dienstleistungen).

Kommuniziere auf gesunde Weise

  • Zeige Liebe in Bestätigungs- und Cancellation Screens. Headspace bedankt sich dafür, dass die Nutzer:innen Teil der Community waren, anstatt auf die Tränendrüse zu drücken.
  • Kommuniziere mit Sorgfalt und Liebe, z.B. bei Spenden oder während des Checkouts.
  • Kommuniziere auf der ersten Seite, ob deine Services verfügbar oder ausgebucht sind (z.B. als Hotel, Seminarräume, Event, Service, etc.).
  • Integriere nur hilfreiche und echte Verknappung anstelle von vorgetäuschten Beschränkungen.

Fördere Wohlbefinden

  • Baue Funktionen ein, die das Wohlbefinden fördern und die Menschen daran erinnern, an die frische Luft zu gehen, nach draußen zu gehen und sich von ihren Geräten zu entfernen. Headspace sendet Push-Benachrichtigungen, um das Telefon wegzulegen und nach draußen zu gehen.
  • Zeige die Bildschirmzeit an und lass die Nutzer:innen wissen, wann es an der Zeit ist, aufzuhören.
  • Schärfe das Bewusstsein an Tagen wie dem Internationalen Tag des Abschlatens.

Die Vorteile für die mentale Gesundheit, die Barrierefreiheit und den Planeten

Der Nutzen für unsere mentale Gesundheit ist diese beruhigende, wohltuende Erfahrung, die nicht für Überwältigung, Frustration, Stress, Scham, Angst und eine misstrauische Gesellschaft sorgt. Ich will das nicht. Und ich wette, du auch nicht. In einer Gesellschaft, die ohnehin schon enorm gestresst ist, ist die psychische Gesundheit in vielen Ländern die Ursache für Krankheitsausfälle und Berufsunfähigkeit Nummer eins. Wir müssen uns um die mentale Gesundheit kümmern, um Calm Design und Entstressung. Dein Design ist eine Möglichkeit, dies zu tun.

Die Vorteile für die Barrierefreiheit liegen vor allem in der Verwendung von weniger Animationen, klareren Abläufen, einfachen Klickpfaden und keinen Pop-ups, die die Website stören oder sogar blockieren. Das kommt übrigens sehr häufig vor. Pop-ups und Banner, die die Navigation durch die Webseite mit der Tastatur oder einem Screenreader blockieren. Dann kann diese Person sie gar nicht nutzen. Kümmer dich wirklich um dauerhafte, vorübergehende und situationsbedingte Behinderungen. Eine dauerhafte Behinderung kann sein nur einen Arm zu haben, eine situationsbedingte Behinderung, wenn ein Baby im Arm liegt und nur ein Arm genutzt werden kann. Denke wirklich ganzheitlich über die Barrierefreiheit nach.

Der Vorteil für den Planeten ist sicherlich, dass weniger schwergewichtige Inhalte und all diese Datenmonster, all diese automatischen Abspielvorgänge, intensiven Animationen und alles, was wir weniger tun, zu einer leichtgewichtigen Webseite mit einem kleineren digitalen Fußabdruck führt. Leichtgewichtige Webseiten, leichtgewichtige Software, leichtgewichtige Apps, was auch immer du hast. Außerdem werden keine Push-Benachrichtigungen verschickt und die Leute werden daran erinnert, nach draußen zu gehen und ihre App zu schließen, ihr Smartphone wegzulegen. Das ist das Beste von allem, denn dann senden wir nichts mehr. Es gibt keine Anfragen und nichts, was von einem Server zum anderen geht und nichts, was durch diese Telekommunikationsnetze geht. Das ist perfekt. Das ist letztlich das Grünste, was wir alle tun können. Nichts senden, im Fokus-Modus sein, Push-Benachrichtigungen stumm schalten. All diese Dinge tragen letztendlich dazu bei, weniger Energie zu verbrauchen und weniger Kohlenstoff zu emittieren.

Respektieren die Zeit und die mentale Gesundheit deiner Nutzer:innen. Respektiere unseren Planeten und die Ressourcen, die wir haben.

Love,
Sandy

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Hi, ich bin Sandy, die Autorin dieses Blogs und UX/UI-Designerin mit 10+ Jahren Erfahrung. 2019 hab ich Green the Web gegründet, um meine Leidenschaft, Ideen und Visionen für ein nachhaltiges Web mit Changemakern wie dir zu teilen. Lass uns auf LinkedIn oder auf Instagram @greentheweb connecten, diskutieren und Ideen auszutauschen.

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